Das Dorf Dörscheid, bis zum dreißigjährigen Krieg aus zwei Dörfern, Nieder- und Oberdörscheid, bestehend, kommt urkundlich zuerst 1250 als im Besitz Philipps von Falkenstein befindlich vor. Es kam dann mit Caub an die Pfalz. Den Namen Dörscheid trägt das Dorf erst seit neuerer Zeit; früher hieß es Derschet oder Derst. Letzterer Name wird auch heute noch gesprochen, und es ist nicht ausgeschlossen, daß der noch vorkommende Familienname Derst damit in engem Zusammenhang steht.
Die Kirche ist eine der ältesten im Dekanat. Sie ist in gotischem Baustil erbaut, der um 1400 beginnt. Das wäre die früheste Zeit, die für die Errichtung des schmucken Gotteshauses anzunehmen wäre. Ein alter Chronist glaubt annehmen zu dürfen, daß ursprünglich nur der Chor bestanden habe, und daß Schiff und Turm später angefügt worden seien. Daß der Turm in seiner jetzigen Form nicht so alt ist, wie die übrige Kirche, sieht jeder. Aber daß Chor und Schiff zu derselben Zeit errichtet worden sind, darf, nach dem Baustil zu urteilen, wohl angenommen werden. Allerdings hatte die Kirche früher, als sie dem katholischen Gottesdienst noch diente, ein etwas anderes Aussehen. Empore und Orgel fehlten, das Hauptaugenmerk richtete sich beim katholischen Gottesdienst auf den Chor mit seinem Hochaltar. Der Chor mag so ausgesehen haben, wie er heute ist. Daß er allein einmal eine Kapelle gebildet habe, ist zu bezweifeln, da der Raum in Ihr doch etwas winzig gewesen wäre. Wie sah nun das Schiff aus? Der Flächenraum war derselbe, aber die Decke war eine andere; wie sie gewesen ist, kann man vielleicht aus den an allen vier Ecken noch befindlichen Ansätzen zu einer ähnlichen Wölbung wie im Chor schließen. Auch im unteren Teil des Turmes findet man noch die Linien eines gotischen Spitzbogengewölbes. Alt sind auch die unteren kleinen runden Fenster, während man von den oberen annehmen muß, daß sie einer späteren Zeit entstammen. Freilich sind es Vermutungen, wenn wir uns so die Kirche in ihrem früheren Zustand zu vergegenwärtigen versuchen. Ihr Aussehen im Inneren hat öfters gewechselt. Über bauliche Veränderungen an ihr hören wir Genaueres in der Zeit nach dem dreißigjährigen Kriege; davon später! Die bauliche Unterhaltung der Kirche lag der Kurpfälzischen geistlichen Administration ob, während der Turm von der Gemeinde zu erhalten war. Das Geläute hatte ebenso die geistliche Administration in Stand zu halten. Die Katholiken hatten das Recht, sich desselben bei Beerdigungen zu bedienen; daher zahlte die Kollektur in Caub die Seile und die Glockenschmiere.
Während Dörscheid zur katholischen Zeit und auch in den ersten Jahrzehnten nach Einführung der Reformation, wie ja in frühester Zeit auch Caub, Filial von Weisel war, wurde es 1591 zur eigenen Pfarrei erhoben. Das älteste Kirchenbuch, das in diesem Jahr angelegt worden ist, trägt auf der ersten Seite den Vermerk: „Im Jahre des Heils 1591 unter Pfalzgraf Johann Casimir, ist die Gemeind, welche zuvor nur eine Schul hat, zur Pfarr und Schul angeordnet worden, und dominus (Herr) Johan. Pistorius ist der erste diaconus und Schulmeister zu Derscheit gewesen.“ Also ehe Dörscheid einen Pfarrer bekam, hatte es einen Schulmeister. Derselbe war vielleicht stets ein Theologe. Wenigstens ist der 1588 in der Gemeinde tätige Lehrer Reschius ein solcher gewesen. Aus einem Konventprotokoll erfahren wir, daß er die Sonntagsnachmittag- und die Wochenpredigten gehalten hat, während die Leute zum Hauptgottesdienst nach Weisel gehen mußten. Die Ältesten bitten auf diesem Konvent, daß wegen des weiten Weges nach Weisel auch die monatlichen Bettagspredigten vom Schulmeister gehalten werden dürften. Das wird auch zugestanden. Schon im November desselben Jahres 1591 ging Pistorius als Pfarrer nach Manubach. Sein Nachfolger war Joseph Frisius, der nach einem Jahr bereits weiter zog. Er wird auf einem Konvent getadelt, weil seine Tochter getanzt hat. Das ist eigentlich das einzige, was wir von ihm erfahren, doch schließlich wenig geeignet, ein schlechtes Licht auf den Mann fallen zu lassen!
Auch Theodor Lippomanus hielt nicht lange aus, im Frühjahr des nächsten Jahres hat er einen Nachfolger. Auf einem Konvent in Dörscheid stellt die Gemeinde ihm gutes Zeugnis aus. Die Amtsbrüder aber urteilen über seine Predigt, sie sei ein konfuses Durcheinander gewesen ohne Disposition und Ordnung – heute ist das für manche ein Lob -, er habe niemanden im Glauben befestigt und keinen Gegner widerlegt. Die richtige Methode wird ihm gezeigt und geraten, gute Bücher zu kaufen und zu studieren.
Der nun folgende Pfarrer Johannes Hilweck blieb endlich einige Jahre (1593-1598). Im April bemerkt er selbst im Kirchenbuch: „Joh. Hilweck ist zu einem Kirchen und Schuldiener zu Heidelberg angenommen worden.“ Aus seinen Eintragungen erfahren wir auch den Grund, weshalb seine Vorgänger und Nachfolger die Stelle so rasch wieder aufgaben: die Besoldung war zu gering. Die Gemeinde zeigte sich bei dieser Frage sehr schäbig. Während sie früher über den weiten Kirchweg geklagt hatte, bemerkt jetzt trotzig ein Ältester, als dem Pfarrer 1/2 Fuder Wein geliefert werden soll: „es wäre keiner die Füß abgelaufen da sie die Pfarr zu Weisel hatten, sie verhofften, ihr Füß auch nicht abzulaufen.“ Im folgenden Jahr reiste der Pfarrer wegen seiner elenden Besoldung nach Heidelberg. Noch 1597 weigern sich einige Gemeindeglieder, ihm seine Besoldung zukommen zu lassen.
Nach seinem Weggang war die Pfarrei einige Zeit unbesetzt und wurde von Weisel aus versehen. Auf dem Konvent am 19. April 1599 wurde als neuer Pfarrer Johannes Pfarrius präsentiert. Nach wenigen Monaten ließ er sich wieder versetzen und an seine Stelle trat Pfarrer Johannes Strauchius. Derselbe ging nach einem Jahr nach Weisel. Die nächstfolgenden Pfarrer nenne ich nur der Vollständigkeit halber; sie verschwanden alle nach kurzer Zeit: Gerhard Fellenius (1601-1602), Caspar Teuderus (1603 bis 1604), Antonius Cibelius (1604-1606), Thomas Krizamerus (1606-1608), ein Ungar. Dann ist sonderbarerweise Johannes Hilweck „anno 1608 den 22. Juni wiederum gen Dörscheid zu einem Seelsorger angenommen worden“. Was mag ihn veranlaßt haben, zurückzukehren, obwohl er doch die armen Zustände kannte? Er machte auch keine guten Erfahrungen. Obwohl er sonst mit der Gemeinde zufrieden war, hatte er unter den Verleumdungen zweier Dörscheider Bürger so zu leiden, daß er 1611 seinen Abschied nahm. Jedoch scheint er in Dörscheid wohnen geblieben zu sein, wo ihm seine erste Frau und zwei Kinder gestorben waren.
1611 treffen wir als Pfarrer von Dörscheid Friedrich Stymerus. Auf einer von ihm abgehaltenen Sitzung des Konsistoriums beschlossen die Ältesten, bei dem conventu Ministrorum (Pfarrkonvent) wegen Intercession (Eingabe) bei Ihro churfürstlicher Gnaden um Verbesserung des Pfarr Stipendii (Einkommens) anhalten zu wollen, „damit sie einen beständigen Pfarrer bei ihnen haben möchten, und die stätige Abwechslung der Prediger aufhöre“.
„Den 2. September (1612) ist der würdige und wohlgelehrte Herr Fridericus Stymerus Regiomontanus Borussus (aus Königsberg in Preußen) meus anteceffor (mein Vorgänger) pastor de ecclesia Christi optime meritus (der sich um die Kirche Christi sehr verdient gemacht hat) pie in Christo entschlafen und folgenden Tags Donnerstag, den 3., christlich zu seinem Ruhbettlein in die Kirchen begleitet und bestattet worden, dessen Leichpredigt der würdige und gelehrte Herr Johannes Cyporinus, Pfarrherr zu Caub, gehalten.“ Anderwärts erfahren wir, daß er an der Pest gestorben ist, wie 10 Tage später auch seine Frau.
„Anno 1612 den 12. Oktober, bin ich Johannes Trapp von den Herren Kirchenräten zum vikario der Kirch und Schulen zu Ober- und Niederderschiedt angenommen worden und folgends den 18. Novembris von dem ehrwürdigen und wohlgelehrten Herrn Johanne Crustario, dero Zeit Inspektore Bacharacensi, einer ehrsamen Gemeind praesentiert worden.“ Die Ältesten geben ihm auf den Konventen gutes Zeugnis, daß er in der Bedienung mit der Lehre und Administration der Sakramente und der Besuchung der Kranken seinen Dienst fleißig verrichte, auch daß er sich in seinem Leben gegen die Seinigen und die Gemeinde unsträflich verhalte. Die Amtsbrüder finden seine Predigt erbaulich, wenn sie natürlich auch allerlei daran auszusetzen haben. Einmal wird er getadelt, daß er sich zu lange von seiner Gemeinde ferngehalten habe. Er selbst klagt mit seinen Kirchenvorstehern, daß das Haus gar so baufällig, daß am Turm allerlei zu machen sei, auch daß der Kollektor noch immer nicht dafür gesorgt habe, daß „in der Kirche das abgöttische Gemälde ausgelöscht“ werde. Über die Gemeinde klagt Pfarrer Trapp, daß in der Ernte seine Zuhörer uff Sonntag vor und nach der Predigt die „Frucht schneiden, und ob er schon dasselbe in der Predigt gestraft, so geben sie doch darauf nichts“.
Pfarrer Trapp stand von 1612-1616 in Dörscheid. Ihm folgte Thomas Müselius (1616-1620). Daß die Kirche auch damals noch keine Orgel hatte, geht aus folgendem Eintrag ins Protokollbuch hervor (14. Februar 1619): „Weil es dem pastori zu schwer fallen will, nach gehaltener Predigt vor dem Segen auch den Gesang auf der Kanzel anzufangen und zu kontinuieren (fortzusetzen), dieweil man sich mit dem Predigen erschöpfet, und auch bisweilen heißer wird, daß die Stimm dahinten bleibt, habe ich … (Drei Gemeindeglieder) als Corsänger, welche des Schreibens und Lesens nicht unerfahren, und auch im Singen ziemlichermaßen geübt sind, in das Konsistorium erfordert, und von ihnen gebeten, sie wollen Gott zur Ehre, zur Auferbauung dieser Kirche, wie auch zu ihrem Lob unbeschwert nach der Predigt einen Gesang aus einem Psalm, dessen Melodie ihnen gar wohlbekannt wäre, anfangen zu singen; worauf sie sich dann resolviert (geäußert, sie wollten sich dazu unbeschwert finden, wenn nur einer wäre, der das Gesäng anfangen wollte, dann wollten sie nachmals bald die schuldige hülfliche Hand bieten und an dem Ihrigen nichts ermindern lassen. Dazu ist Johannes Düffer (?) zu einem Versuch erbeten worden.“
Am Ende der Eintragungen des Pfarrers Müselius lesen wir von einem Nachfolger geschrieben: „Mutatio loci et tristissimus imperii totius praesertim electoralis Palatinatus status et forsitan alia nonnula in causa fuerunt, quod pastor huius ecclesiae, Thomas Müselius, nihil amplius adjecit hisce.“ Das besagt auf Deutsch, daß die Versetzung des Pfarrers und die traurige Lage des Vaterlandes die Ursache dafür gewesen ist, daß Pfarrer Müselius nicht mehr geschrieben hat.
Der dreißigjährige Krieg war ausgebrochen und verschonte auch das abgelegene Dörflein nicht. Doch schon vorher waren schwere Zeiten über die junge Kirchengemeinde hereingebrochen. 1597 starben an der Pest im Januar 2 Erwachsene und 4 Kinder, im Juni 22 Kinder, im Juli 2 Erwachsene und 17 Kinder, im August 32 Erwachsene und Kinder, im September 1 Erwachsener und 9 Kinder. 1612 kehrte die furchtbare Seuche wieder und raffte 80 Personen dahin, wieder meistenteils Kinder. Auch den Pfarrer Stymerus und seine Frau ereilte der Tod. Nach dem Sterberegister ist er in der Kirche beigesetzt worden. 1622 erschien die rote Ruhr, mit der Pestilenz verwechselt, und forderte ihre Opfer, darunter auch des Pfarrers Töchterchen Maria Katharina.
Daß 1620 ein spanisches Heer Caub besetzte, hörten wir. Vielleicht ist das Fehlen von Eintragungen im Dörscheider Kirchenbuch zwischen den Jahren 1620 und 1622 ein Anzeichen dafür, daß auch unser Dorf unter den Fremdvölkern zu leiden hatte; ebenso ist möglich, daß wegen der Kriegsunruhen die Pfarrstelle nicht besetzt werden konnte. Von 1622 ab weist das Kirchenbuch Eintragungen des Pfarrers Wilhelm Minderer auf. Von 1625 an beginnt eine große Lücke. Diese Zeit von 1625-1632 ist für unser Dorf eine sehr schwere gewesen. Unter dem Druck der Spanier sollte die evangelische Lehre verschwinden und die katholische Konfession wieder eingeführt werden. Pfarrer Minderer scheint jedoch unbeirrt um gegnerische Machenschaften seines Dienstes, so gut es gehen wollte, gewaltet zu haben. Da der Cauber Pfarrer flüchten mußte, versah er auch den dortigen Dienst mit. Eine nicht verbürgte Nachricht meldet, daß ein spanischer Soldat einen evangelischen Pfarrer, während er in der Cauber Kirche predigte, hinterrücks auf der Kanzel niedergeschossen habe. Dies Ereignis hat der frühere Bornicher Pfarrer Fuchs in einem seiner Gedichte festgehalten. Wenn die Nachricht richtig ist, wäre vielleicht Pfarrer Minderer, der 1632 gestorben ist, der hier erschossene gewesen. Das Kirchenbuch war in einer Sitzung des Konsistoriums vom 29. März 1624 nebst der Kirchenkasse dem damaligen Bürgermeister Paulus Schmelzeisen übergeben worden mit der Bitte, es „nach bestem Vermögen zu bewahren“. Von seiner Hand ist eine Eintragung, nach der er im Jahre 1626 seine Tochter Anna Maria in Ermanglung eines Pfarrers selbst nach evangelischem Brauch getauft hat. Auch in der Kirche sollte wieder zwangsweise der katholische Gottesdienst eingeführt werden, und wie in Caub werden auch hier Oberweseler Mönche den Auftrag gehabt haben, die katholische Konfession wieder einzuführen. Ein katholischer Altar wurde im Chor der Kirche aufgestellt.
1631 schlug die Stunde der Befreiung, als Caub von den Hessen besetzt wurde. Die evangelische Religion konnte wieder ausgeübt werden und der in St. Goarshausen bei Einführung der lutherischen Lehre abgesetzte Pfarrer Johann Wilhelm Gerhardi wurde mit der vorläufigen Versehung der Dörscheider Pfarrstelle betraut. Am 13.September 1632 hielt er die erste Ältesten-Sitzung und schrieb ins Protokollbuch: „Demnach vermittelst göttlicher Hilf königliche Majestät zu Schweden Churpfälzische Lande von spanischer Macht und papistischer Religion wiederumb freigemacht, dazu fernerhin Gott, der Herr, Gnad, Hilf und Beistand verleihen wolle um seines Namens, Erhaltung göttlicher wahrer Religion und der Menschen Heil und Wohlfahrt willen, durch Jesum Christum, Amen: so seindt die Ältesten zu Niederderscheidt von mir, Johann Wilhelmo Gerhardi, dazuvor gewesenen Pfarrer zu St. Goarshausen, nunmehr aber von Herrn D. Paulo Tossano zum Pfarrer allhier interimsweise designiert, zusammen gefordert und vorige Ordnung continuiert und fortgesetzt worden.“ Es wird dann über folgende Punkte gesprochen: 1. Die Ältesten sollen neben den Pfarrer fleißig Aufsicht haben auf den Kirchgang, „daß wir sämtlich der Restitution der göttlichen Predigt mit Dank gegen den getreuen Gott fleißig gebrauchen, dann redlich und fleißig verstärkt werden“. 2. Daß die Kinder alle, so zum Kirchgang tüchtig, alle miteinander zur Kinderlehre geschickt werden. 3. Daß die Schulstube zugerichtet werde und demnächst die Kinder zur Schule kommen. 4. Demnächst die Censiten, so in die Almosen schuldig, vorzunehmen, und mit ihnen abzurechnen; soll auf einen gelegenen Tag vorgenommen werden. 5. Mittel vorzuschlagen, daß der päpstliche Altar aus der Kirch geschafft werde, dazu den Herrn Zollschreiber zu bitten, daß er aus dieser Ortsobrigkeit einen bestellen wolle. 6 Den Herrn Zollschreiber zu bitten, daß das Kirchdach bestiegen und verbessert werde. 7. Zwei Betstunden zu halten in der Woche, auf Mittwoch und Freitag um zwölf Uhr, soll alsdann zusammengeläutet werden, und die Nachbarn samt ihren Kindern sich fleißig einstellen, Gott, den Herrn, fleißig anzurufen, daß er die gemeinen Landstrafen, Krieg, Teurung und Pestilenz gnädig abwenden wolle.“
„Durch wunderbare Verfügung Gottes, des Allmächtigen, auch gnädigste Anordnung der Herren Kirchenräte von Heidelberg“ wurde 1634 Christof Schäfer, vorher Schulmeister in Kaub, zum Pfarrer von Dörscheid berufen, wofür er „zu förderst dem allmächtigen Gott herzlich danken und bitten tut, daß er durch kräftige Wirkung des hl. Geistes ihm in seinem hohen Amt beiwohnen und also beistehen wolle, damit zu allerförderst seines hohen Namens Lob und Preis, die Pflanzung und Auferbauung seiner durch das spanische und antichristliche Geschmeiß und Gift verwüstete Kirche und damit der Pfarrkinder Seelenheil gesucht werde.“
Bis 1635 finden wir Eintragungen im Kirchenbuch, dann unterbleiben sie bis 1654. In dieser Zeit trafen die Gemeinde neue Schläge, nachdem die Kaiserlichen Caub und Bacharach besetzt hatten. Dörscheid hatte während dieser 19 Jahre keinen eigenen Pfarrer, sondern wurde von Pfarrer Trapp in Weisel mitversehen, der oft unter Lebensgefahr hinüberging, um den Gottesdienst zu halten und die Amtshandlungen zu verrichten.
In dieser Zeit ist Oberdörscheid vom Erdboden verschwunden. Wann mag es gewesen sein? Eine Urkunde, die genaueres darüber brächte, gibt es nicht. Aus dem Jahr 1640 liegt im Dörscheider Pfarrarchiv eine Urkunde, in der davon die Rede ist, daß die vereinigte Gemeinde Nidder- und Altdörscheid dem Haus Gutenfels auf einige Zeit eine Glocke leihen soll. Damals also war Oberdörscheid noch vorhanden. In einer anderen Urkunde vom 19. August 1644, betreffend den Schlossweg in Caub, wird nur von Dörscheid gesprochen. Oberdörscheid scheint damals bereits nicht mehr zu sein. Dann wäre es zwischen den Jahren 1640 und 1644 zerstört worden.
Der Krieg ging zu Ende. Aber wie sah es in dem armen Dörscheid aus! Eine Bittschrift der Gemeinde an den Pfalzgrafen wirft ein Licht auf die Zustände, in denen sich das Dorf befand. Die Kirche ist, „durch unterschiedliche Feldläger und Durchzüge, auch andere begebende Sturmwinde gänzlich an Dach und Stühlen ruiniert worden, daß wir Sonn-, Feier- und Bettags dem Gottesdienst darin beizuwohnen auf einfallendes Regenwetter auch stehend nicht abwarten können, wir auch durch das langwierige Kriegswesen so gar erschöpft und verarmt, daß wir zur Reparierung obangedeuteter unserer Kirche an notwendiger Dachung weiteres auf diesmal nichts beförderlich sein konnten, ob wir gleich gern wollten, als mit Fuhr- und Handfrohn“. Sie richten also an denKurfürsten die untertänige und hochflehendliche, den Zollschreiber in Caub anzuweisen,daß ihnen die n&opuml;tigen Schiefersteine zur Neubedachung der Kirche geliefert werden, damit die Kirche vor völligem Ruin bewahrt bleibe.
1659 wurde die Kirche für 15 Reichstaler erneuert, in der selben Zeit das Pfarrhaus von Grund aus restauriert. Was das kirchliche Leben anlangt, sowird viel versucht und geschaffen, was zu seiner Hebung beitragen soll. Um den Gemeindegesang zu verbessern, werden an jedem Tag große und kleine Knaben eine Stunde lang in der Schule versammelt, um Lieder einzuüben. An jedem Freitag müssen Knaben und Mädchen im Pfarrhaus zusammenkommen zum Katechismusunterricht. Schule und Pfarrhaus war damals noch eins. Die Kirchenzucht wird streng geübt. Zeitweise muss der Bürgermeister eine Liste sämtlicher Gemeindeglieder in der Kirche vorlesen, um festzustellen, wer fehlt. Einmal wird sogar jemand vor den Kirchenvorstand geladen, weil er im Gottesdienst geschlafen hat.
1692 bekam Pfarrer Lehr bei seinem Dienstantritt den Auftrag alle 14 Tage in Caub den Nachmittagsgottesdienst zu halten. Lehr ist, nachdem er die Pfarrstelle für Dö;rscheider Verhältnisse ungewöhnlich lange innegehabt hatte (30 Jahre), hier gestorben; merkwürdigerweise hat das Kirchenbuch im Sterberegister im Jahr seines Todes gar keine Eintragungen. Der Name Pfarrer Lehrs lebt noch heute fort; er ließ Kanzel und Pfarrstuhl erneuern, daselbst ist mit der Jahreszahl 1702 sein Name zu lesen.
Die Gemeinde erhielt durch Pfarrer Henrici im Jahre 1722 einen neuen Seelsorger. Henrici war Bienenliebhaber und kaufte für seine Bienenstände ein Gartenstück, das nachher als Pfarrgarten übernommen wurde, 1738 aber als Bauplatz für das neue Pfarrhaus Verwendung fand. Er meint, seine Vorgänger hätten wohl auch den Vorsatz gehabt, hie und da ein Stück Land hinzuzukaufen, wenn sie ihn verwirklicht hätten, so wäre die hiesige Pfarrei um ein erkleckliches verbessert worden. An seine Stelle trat 1731 Johannes Nikolaus Pfaffius (1731-1738). Aus einer gelegentlichen Bemerkung, daß er, da er nicht im Stande war, den Gesang zu versehen, also vorzusingen, genötigt war, auf seine Kosten jemanden zu bestellen, entnehmen wir, daß die Kirche damals immer noch keine Orgel hatte. Die 1822 für 1000 Gulden gekaufte Orgel war also die erste, die in die hiesige Kirche gekommen ist; sie ist heute noch in Benutzung.
In damaliger Zeit war das Gehalt des Pfarrers gegen früher erheblich aufgebessert worden. Um 1600 hatte er zu erhalten: 20 R von der Kollektur in Caub, 20 R 16 Albos aus der Kellerei in Caub, 42 R gegen Ende des Jahrhunderts, 58 R von dem Kollektor in Niederingelheim. An Wein hat er zu bekommen „von den Nachbarn ein ein Viertel und sein der Bürger 64“. An Korn aus der Zehntenscheuer in Niederderscheidt von unserm gnädigen Herrn 7 Malter und ebensoviel aus der Zehntenscheuer in Weisel. Von der Gemeinde soll ein jeder Bürger geben 1 Simmer Korn, an Brot jeder Bürger 1 Laib. An Hafer liefert die Zehntscheuer in Weisel 7 Malter. Endlich erhält er von der Gemeinde Holz, und zwar 20 Ochsendoppelspänner voll. Dazu hat er freie Wohnung. Aus dem Jahr 1738 haben wir eine Aufstellung des Pfarrereinkommens, wonach er die Nutznießung des Pfarrlandes, 7 Äcker und eine Wiese hat. An Geld erhält er von dem Schaffner des Klosters Chumbd 60 R un 22 Malter Korn, vom Zollschreiber in Caub 20 R und 6 Malter Korn. Die Gemeinde gibt 8 Malter Korn und 3 Ohm Most und von jedem Bürger Holz „zur Notdurft“. Dazu kommen 12 R an Zinsen.
Nach dem Abgang des Pfarrers Pfaffius wurde Pfarrer Johann Jakob Abegg nach Dörscheid berufen. Er erbaute, worauf wschon hingewiesen, das neue Pfarrhaus. Das dazu erforderliche Geld soll er so zusammengebracht haben, daß er umherzog, namebtlich in Holland, predigte und zu milden Gaben ermunterte. Er wird als tüchtiger und gebildeter Mann geschildert, ein Feind des Katholizismus. Von Dörscheid kam er nach Langenlonsheim, wo er gestorben ist, wie berichtet wird, aus Ärger darüber, daß ihm die dortigen Katholiken ein Kind aus dem Grabe gruben. Veranlassung dazu soll er dadurch gegeben haben, daß er in der dortigen Simultankirche das Kreuz von der Kanzel stieß, wobei er sich jedoch damit entschuldigte, er habe es im hl. Eiferund, ohne es zu beabsichtigen, getan.
1750 wurde die große Glocke, die kurz vorher einen Sprung bekommen hatte, auf Kosten der Gemeinde bei dem Glockengießer Christoph Klein in Zweibrücken umgegossen. Pfarrer Abegg ließ folgende Inschrift darauf setzen: „Mein eherner Mund und eiserne Zung zur Kirch versammelt Alt und Jung.“ Der Rotgerber Funck in St. Goarshausen spendete einen Gulden für den Umguss. „Der reiche Vergelter aller Werke der Liebe wolle diesen werten Wohltäter und die werten Seinigen dafür segnen hier zeitlich und dort ewiglich!“ Besonderes Verdienst um den Guss erwarb sich Bürgermeister Kern, „sonsten es vermutlich noch lang anstehen können, ehe die Sach vor sich gegangen wäre“.
Mit Pfarrer Johann Gabriel Pfarrius (1754-1797) aus Wöllstein bei Kreuznach beginnt das Dörscheider Pfarrergeschlecht der Familie Pfarrius, das über hundert Jahre dort das Amt der Kirche inne hatte. Dem zweiten, Pfarrer Karl Wilhelm Pfarrius (1797-1851), gelang es das Schulamt vom Pfarramt zu trennen.. Bis dahin war der Pfarrer zugleich Lehrer gewesen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nahm der Pfarrer einen Schulexspektanten an, der die Schule versah. Dabei war selbstverständlich der häufige Wechsel Störend, sodaß schon der Inspektor Engelmann den Wunsch ausgesprochen hatte, einen ständigen Lehrer nach Dörscheid zu beordern. Dieser Wunsch wurde erst erfüllt, nachdem das Unteramt Caub nassauisch geworden war. „Unter dem 12. Dezember 1810 hat ein herzoglich-nassauisches hochwürdiges Consistorium in Wiesbaden für gut befunden, die bisherige Winterschule in Derscheidt zu einer beständigen Schule umzuschaffen und hat zum ersten ständigen Schullehrer dahier den bisherigen Seminaristen Philipp Jakob Reichardt, von Weisel gebürtig, angeordnet.“ 1811 wurde dann zum ersten Mal auch im Sommer in Dörscheid Schule gehalten, während bisher nur von Martini bis Fastnacht Unterricht war. Für den neuen Lehrer kaufte die Gemeinde ein Wohnhaus für 450 fl.
Die Zeit um die Jahrhundertwende war keine rosige für die Familie Pfarrius. Die Kriege unter denen unsere Gegend wieder zu leiden hatte, führten eine allgemeine Geldknappheit herbei. Der Übergang des Unteramts auf Nassau ließ die Gehaltszahlung stocken. 1803 reicht die Gemeinde an die Nassauische Regierung eine Bittschrift ein, sie möge doch dem Pfarrer Pfarrius die seit 5 Jahren rückständige Besoldung auszahlen. Die Schrift, die 46 Unterschriften trägt, weist auf die wichtigkeit des Seelsorgeamtes hin und darauf, daß dasselbe, wie auch das Ansehen des Geistlichenunter seiner Not leide. Bald darauf wurde der Pfarrer vom Handelsmann Rohsi und dem Metzger Zinngraff in Caub um 310 fl. verklagt. Er erklärt sich zahlungsunfähig, da die Regierung ihm sein rückständiges Gehalt nicht auszahle und er mit seinen 5 unmündigen Kindern doch essen müsse. Inspektor Brug in Caub tritt sehr für ihn ein, er könne seine Berufsgeschäfte nicht recht wahrnehmen, weil er ständig in brückender Sorge um Essen, Trinken und Kleiser sich befinde, er bittet, ihm aus irgend einem Fonds zu zahlen, bis die Angelegenheit mit seinem Gehalt geregelt sei. Die Antwort lautet sehr sonderbar: auf obige Anklage wird dem Pfarrer befohlen, binnen drei Monaten die Gläubiger zu befriedigen! In seiner Erwiderung erkennt Pfarrius die Schuldforderung als richtig an, die teils noch von seinem Vater herrühre, der in den Kriegsjahren von den beiden Männern unterstützt wurde, so daß sie ihn gleichsam vor dem Hungertode retteten. Er selbst und seine Frau, erklärt er weiter, hätten kein Vermögen, seine Besoldung sei so karg, daß er ein elendes Jammerleben führe, zumal ihm die Besoldung von 1798-1802 fehlt, die sich auf 110 Malter Korn, 77 1/2 Malter Hafer und 300fl. Geld beläuft. Er bittet um Aufschub, bis ihm selbst sein Geld gezahlt sei. Im Juli, nachdem er 1/2 Jahr lamentiert hatte, erhielt er endlich 150 fl. Abschlagszahlung, Ende Juli nochmals 300 fl. 1808 muss er sich wieder beschweren, daß er 1/4 oder 1/2 Jahr auf sein Gehalt warten müsse, „auch meines Lebens also gar nicht froh werde, vielmehr am Hunger und Kummertuch beständig mit den Meinen nagen muß“. Er bittet entweder um pünktliche Zahlung oder um Versetzung auf eine andere Stelle und Einziehung der Pfarrei. Das waren schwere Zeiten für das Pfarrhaus, aber sie wurden getragen im Vertrauen auf des reíchen Gottes Hilfe und Pfarrer Pfarrius durfte die Freude erleben, im Alter noch 15 Jahre lang die wohlverdiente Ruhe zu genießen, während der Sohn die Verwaltung der Pfarrei übernahm.
Nach des Vaters Tod wurde er zum ordentlichen Pfarrer befördert, Johann Jakob Pfarrius (1851-1875). Von seinem Vorgesetzten wird ihm rühmend nachgesagt: „besitzt besonders in Kirchen und Profangeschichte schöne Kenntnisse, ein gemütlicher Prediger, unverdrossen in seinem Amt, hat die volle Liebe seiner Gemeinde.“ Er schafft einen neuen Altar an und ließ die kleine Glocke gießen, die die Jahreszahl 1837 führte und das Bild des Ritters St. Georg trägt, worüber die Dörscheider sehr ungehalten waren, da sich das für die Glocke einer evangelischen Gemeinde nicht gehöre. 1840 wurde das Pfarrhaus durch einen kleinen Anbau erweitert.
Nachdem Pfarrer Pfarrius in den Ruhestand getreten war, wurde die Pfarrei fast 7 Jahre von Weisel aus durch Pfarrer Thiel versehen. Dann wurde Pfarrer Wilhelm Heinrich Karl Stückrath von Niederwallmenach zum Seelsorger der Gemeinde berufen (1882-1909). Während seiner Dienstzeit wurden die drei alten Glocken, von denen zwei zersprungen waren, durch neue ersetzt; sie trugen die Namen der Apostel Petrus, Paulus und Johannes und die Inschriften: „Allein Gott in der Höh sei Ehr!“, „Mir nach, spricht Christus, unser Held!“, und „Haltet an am Gebet!“ Während die alten Glocken zusammen 797 Kilo gewogen hatten, hatten die neuen ein Gesamtgewicht von 903 Kilo. Auch wurde der baufällige alte Kirchturm zum Teil abgelegt und Höher gebaut.
In diesem Jahrhundert sind nach Pfarrer Stückraths Pensionierung in der Dörscheider Gemeinde tätig gewesen die Pfarrer Oskar Müller (1909-1916), Karl Spieß (1917-1921), der sich als Heimatforscher einen Namen gemacht hat und nach menschlichem Ermessen allzufrüh von uns genommen wurde, und seit 1922 Ernst Runkel.
Im letzten Jahr vor dem Kriege gelang es, mit allerhand behördlichen Mitteln die Kirche im Innern gründlich zu erneuern. Die den Chor verunzierende Empore wurde herausgenommen, und so kommt der schöne Chor erst jetzt wieder zu voller Geltung. Die Dörscheider Kirche ist nach dieser Erneuerung ein wahres Schmuckkästlein. Möge es ihr nur auch nie an dem schönsten Schmuck eines evangelischen Gotteshauses fehlen, einer Gemeinde, die begierig ist, Gottes Wort zu hören, und voll Verlangen, sich in gottesdienstlicher Gemeinschaft aus diesem Wort stärken zu lassen für den Kampf des Lebens!
Quelle (Text und Bild): Pfarrer Wilhelm Röhricht: Von Kämpfen und Siegen des evangelischen Glaubens – Bilder aus der Geschichte der evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises St. Goarshausen, Verlag des evangelischen Kreiskirchentages, St. Goarshausen 1927, Seite 192 bis 206